Ist Wein fake?
Das ist der bewusst provokante Titel dieses Artikels. Ich fand ihn spannend zu lesen, da ich mir die Frage so ähnlich auch gestellt habe: Wie groß ist der Unterschied zwischen Weinen für 5 Euro, 50 Euro und 500 Euro wirklich? Gibt es da objektive Unterschiede oder ist das im Grunde alles nur eingebildet? Dieser Artikel versammelt dazu die Ergebnisse und Erkenntnisse diverser Untersuchungen, Studien und Experimente. Was ich daraus mitgenommen habe:
- Ja, es gibt Menschen, die können nicht nur bestimmen, was für einen Wein sie gerade verkosten, sondern aus welcher Region er stammt, sogar von welchem Weinberg, aus welchem Jahr.
- Auch chemisch lassen sich Unterschiede objektiv nachweisen. Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem, was sich im Wein findet, und wie sein Geschmack und sein Bukett beschrieben werden.
- Allerdings gilt zugleich: Nur besonders talentierte und speziell trainierte Menschen können das zuverlässig bestimmen. Eine verschwindend kleine Zahl selbst unter Weinfachleuten.
- Es gibt nur sehr bedingt einen Zusammenhang zwischen Weinqualität und Preis. Sicherlich finden sich die ausgewogeneren und interessanteren Weine in höheren Preisklassen. Aber das ist nicht absolut zu sehen. Du kannst also einen preiswerten Wein finden, den selbst eine Fachperson höher einstufen würde als einen zehnfach teureren Wein.
- Und das Hauptproblem: Was ist überhaupt ein „guter“ Wein? Bislang haben wir vor allem darüber gesprochen, ob sich Eigenschaften eines Weins mit hoher Sicherheit bestimmen lassen. Letztlich vergleicht es der Artikel mit Pizza: Es gibt objektiv schlechte Pizza, weil sie beispielsweise kalt ist oder nicht gebacken. Aber ist eine teure Pizza im Restaurant objektiv „besser“ als die Pizza vom Imbiss nebenan? Da wird es dann schwammig und vage.
Letztlich gilt: Gut ist, was einem gut gefällt. Es ist keine Schande, etwas zu mögen, bei dem andere die Nase rümpfen, weil es preisgünstig ist oder „nichts Besonderes“.
Beim Wein ist es so: Wenn sie mehr kosten, sind sie oftmals interessanter. Und dieses „interessanter“ ist es wert, wenn man eben ein Connoisseur ist. Weine älterer Jahrgänge wiederum sind teurer, weil sie seltener sind und weil die korrekte Lagerung eben Aufwand bedeutet. Das bedeutet nicht, dass diese weine objektiv besser sind. Und auch das ist etwas, das wiederum ein Connoisseur zu schätzen weiß.
Spannend fand ich dazu auch die Diskussionen auf Hacker News, wo ich diesen Artikel gefunden habe. Dort geht es noch in viele andere Bereiche, denn vergleichbare Phänomene gibt es andernorts ebenso. Kaffee wird dort beispielsweise genannt. Als ich noch regelmäßig über Consumer Electronics geschrieben habe, war wiederum die „High-End-Lüge“ eines meiner Lieblingsthemen – und die ist im Grunde in derselben Kategorie: Ab einem bestimmten Level lassen sich kaum noch Verbesserungen etwa beim Klang objektiv wahrnehmen. Und dieser Punkt setzt sehr viel früher ein, als Fans das zugeben wollen. Ja, manche können die Unterschiede hören und bezahlen dafür gern mehr. Manche glauben nur, sie könnten die Unterschiede hören, und auch das reicht ihnen. Und dann gibt es die Leute, denen es reicht, wenn sie den besten Klang erzielen, den sie tatsächlich noch anerkennen und genießen können.